Datum: 
22.03.2014

Ein Krug voll Wasser aus den Quellen des Islams

Schöpfen wir einen Krug voll Wasser aus den Quellen des Islams, schließen wir uns für einen kurzen Moment der Karawane an, die uns durch die Vergangenheit führt und an einigen interessanten Schauplätzen Rast macht, um uns zu zeigen und um uns zu vergegenwärtigen, welche Bedeutung das Wasser im Islam hat.

Am 22. März ist der Tag des Wassers und auch die Muslime geben dem Wasser einen Stellenwert, welchen es zu unterstreichen gilt. So hat z.B. das göttliche Gesetzt, die Šarīʿa, folgende Bedeutung: „Der Ort, von welchem direkt die Quelle des nicht versiegenden Wassers erschließbar ist, ohne Hilfsmittel zu benötigen.“ [1] Aus diesem göttlichen Quell entsprang eine weitere Quelle. Eine Quelle, die jahrelang - und Gott weiß es am besten, wie lang genau - vor den Menschen verborgen war. Bis zu jenem Tag, als der Großvater des Propheten ﷺ ʿAbd al-Muṭṭalib mit Gottes Hilfe sie wieder fand. Diese Quelle, welche wir Muslime als ZamZam bezeichnen, wurde einst Sayyidunā Isma’ils ʿalayhi s-salām Mutter Hadschar von Allāh ﷻ geschenkt. Denn Allāh ﷻ befahl Ibrahim ʿalayhi s-salām nach aš-Šām zurück zu kehren und er tat dies, wohl wissend, dass es in dem Gebiet kein Wasser gibt, in welchem er seine Familie zurück ließ. Doch Allāh ﷻ beschenkte die Familie Ibrahims mit dem ZamZam-Brunnen. [2]

Sowie die Menschen das lebensnotwendige Wasser benötigen, genauso benötigen es auch die Tiere. Drum lassen wir unsere Kamele, die uns durch die Vergangenheit führt trinken und laden ihnen nicht zu viel Last auf und Reisen weiter zur jener Begebenheit, als die Muslime kein Wasser fanden, um ihre Gebetswaschung zu vollziehen. So berichtet uns Anas ibn Mālik eine Überlieferung über den Hochgebenedeiten Propheten Muḥammad al-Mustafa ﷺ: „Ich sah den Gesandten Allāhs ﷺ einmal, als die Zeit des Nachmittagsgebets sich näherte und die Leute die Gebetswaschung verrichteten wollten und kein Wasser dafür finden konnten. Da wurde dem Gesandten Allāhs ﷺ Wasser für die Waschung gebracht, und er steckte seine Hand in das Wassergefäß und befahl den Leuten, sie sollten daraus ihre Gebetswaschung verrichten.“ Anas ibn Mālik sagte weiter: „Da sah ich, wie das Wasser zwischen seinen Fingern hervorsprudelte; und die Leute verrichteten ihre Gebetswaschung, bis der letzte von ihnen sie verrichtet hatte.“ Und Anas ibn Mālik beschreibt weiter, wie viel Wasser sich im Gefäß befand: „Aus einem Gefäß, in dem sich Wasser befand, welches gerade genug war, um seine Finger zu bedecken oder nicht einmal so viel.“ Qatāda fragte: „ Wie viele wart ihr?“ Er sagte: „Um die dreihundert Leute.“ [3]

Die Muslime benötigen das Wasser für ihre ʿIbāda (Anbetung) und für ihre Ṭahāra (Sauberkeit), doch sollte eine Situation eintreten, in der kein Wasser vorhanden ist oder es dem Gläubigen nicht möglich ist, innerhalb der Gebetszeit Wasser für seine Waschung zu finden, so hat Allāh ﷻ Bedingungen festgelegt, die es dem Diener Gottes ermöglichen, trotzdem das rituelle Gebet zu vollziehen. Denn Allāh ﷻ legt dem Menschen nichts auf, was er nicht im Stande ist zu tragen.

Nun stellen wir uns einmal vor, dass wir mit unserer Karawane inmitten der Wüste sind, seit einigen Tagen haben wir keinen Schatten mehr gesehen, der uns ein wenig vor Sonne schützt. Unser Gesicht ist verbrannt vom rauen Wüstensand, der uns unbarmherzig ins Gesicht weht. Und wenn wir es schaffen, uns diese Situation vorzustellen, so durstig und erschöpft und dazu noch orientierungslos durch die Wüste zu ziehen, welchen Wert hätte dann folgende Überlieferung für uns? So wird uns von der Mutter der Gläubigen ʿĀʾiša bint Abī Bakr berichtet, dass sie sagte: „Das liebste Getränk war dem Gesandten Allāhs ﷺ das süße Kühle (damit sei süßes kühles Wasser gemeint [ḥulwu al-bārid]).“ [4]

Wie sehr würden wir uns in der beschriebenen Situation kühles erfrischendes Wasser wünschen? Und wie viele Menschen gibt es, die kein Wasser finden können und es dringend benötigen? Und wie viel Wasser verschwenden wir sinnlos Tag für Tag? Doch es hilft nichts, die Karawane zieht weiter und schon bald wird der Wüstenwind diese Fragen verschlungen haben und wir werden den Fokus wieder nur auf uns richten.

Nach einer Weile erreicht unsere Karawane eine Moschee, es ist Freitag und die Muslime haben sich zum Gebet versammelt und wir hören folgenden Bericht von Anas ibn Mālik: „Ein Mann trat (in die Moschee) am Freitag durch eine Tür ein, die sich gegenüber dem Podest (Mimbar) befand, auf der der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, stand und predigte. Der Mann blieb vor dem Gesandten Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, stehen und sagte: „O Gesandter Allāhs, das Vieh ist verendet, und wir sind ratlos geworden, so bitte Allāh ﷻ darum, dass Er uns Rettung bringt!“ Da erhob der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, seine Hände und sagte: „O Allāh unser Gott, gib uns Wasser! O Allāh unser Gott, gib uns Wasser! O Allāh unser Gott, gib uns Wasser!“ Anas berichtete ferner: „Bei Allāh, und es gab am Himmel weder Wolken noch eine Spur davon noch sonst andere Zeichen, und es gab zwischen uns und dem Berg Sal` keinerlei Häuser, die so hoch oder tief waren (um unsere Aussicht zu hindern). Da erschien dahinter eine Riesenwolke, die die Mitte des Himmels einnahm, sich ausbreitete und anschließend Regen spendete. Bei Allāh, und wir sahen die Sonne eine Woche lang nicht. An dem darauffolgenden Freitag kam ein Mann durch dieselbe (Moschee-)Tür, während der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, dort stand und seine Predigt hielt. Der Mann stand vor ihm und sagte: „O Gesandter Allāhs, unsere Güter sind vernichtet, und wir sind von der Außenwelt abgeschnitten, so bitte Allāh darum, dass Er den Regen zurückhält.“ Da erhob der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, seine Hände und sagte: „O Allāh unser Gott, laß es um uns, nicht über uns regnen. O Allāh unser Gott, laß es auf Höhen, Rinnen, Täler und Pflanzengewächs regnen.“ Da hörte es auf zu regnen, und wir gingen hinaus in die Sonne spazieren.“ Scharik fragte Anas: „War es derselbe Mann gewesen, der da zuerst kam?“ Anas antwortete: „Ich weiß es nicht!“ [5]

Das Gebet um Regen (Istisqa´) ist immer noch eine Praxis, die die Muslime praktizieren, wenn sie enorm unter einer Dürre leiden. So beteten auch vor kurzem die Muslime in Kalifornien um Regen und am darauffolgenden Tag ließ Allāh ﷻ es regnen.

Als letzten Punkt unserer Karawanserei wollen wir auf eine kleine Geste mit enormen, unvorstellbaren Ausmaßen blicken, auf eine Tat mit reiner Absicht vollbracht, um Leid zu lindern und damit Gottes Wohlgefallen zu erreichen.

"Während ein Mann unterwegs war, spürte er starken Durst. Er kletterte in einen Wasserbrunnen hinab und trank daraus. Als er wieder draußen war, sah er einen Hund, dessen Zunge heraushing und vor starkem Durst den Sand fraß. Der Mann sagte zu sich: »Der Hund wurde vom starken Durst genauso befallen wie ich.« Er füllte dann seinen Schuh mit Wasser, hielt diesen mit seinem Mund fest, kletterte hinauf und tränkte den Hund damit, da dankte ihm Allāh dafür und vergab ihm (seine Sünden). "Die Leute sagten: »O Gesandter Allāhs, erhalten wir auch einen Lohn (von Allāh) wegen der Tiere?« Der Prophet erwiderte: »Wegen jedem Lebewesen gibt es Lohn!«" [6]

Wenn die Geste, einem Hund Wasser zu geben, in diesem Maß von Allāh ﷻ belohnt wird, wie verhält es sich dann erst, wenn wir diese Geste bei unseren Mitmenschen anwenden?

Hier Endet nun unsere Karawanserei in die Vergangenheit. Wir haben an einigen Stationen kurz Halt gemacht, aber bei Weitem nicht an allen. Wir haben, so Gott will, einen kleinen Krug voll Wasser aus den islamischen Quellen geschöpft und diesen Krug unter unseren Mitmenschen herumgereicht, damit ein jeder davon kosten kann. „Die Erdenwelt ist eine Karawanserei auf den Weg zu Gott. Die Menschen kommen in ihr als Reisegefährten zusammen. Da sie alle das gleiche Ziel haben, bilden sie eine Karawane. Daher müssen sie Frieden und Harmonie bewahren und einander unterstützen. Ein jeder muss die Rechte des anderen achten.“ Dies soll Imam Abū Hāmid Muḥammad ibn Muḥammad al-Ġazzālī gesagt haben. [7]

Und bestimmt wären es schön, wenn wir unseren Mitmenschen Wasser spenden würden und wer dies nicht vermag, da die Bedürftigen sich nicht in seiner Reichweite befinden, der sollte auf sparsamen Wasserverbrauch achten und das nicht nur am 22. März, am Tag des Wassers.

 

[1]Wolfgang Johann Bauer, Bausteine des Fiqh (Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH, 2013)

[2] Salih Suruç, Das Leben des Propheten Muhammad, übers: Muhammed F. Bayraktar dtsch. Ausg. S. 31 (Bochum: Astec Verlag)

[3] Imām Qāḍī ‘Iyāḍ, Al-Schifā übers: Abd al-Hafidh Wentzel, dtsch. Ausg. S.389 (Istanbul: Warda Publikation, 2013)

[4] Imām al-Tīrmidhī, So war der Prophet, übers: Abd al-Hafidh Wentzel, dtsch. Ausg. S. 148 (Istanbul: Warda Publikation, 2008)

[5] Imām al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ Buḫārī, übers: Muhammad Rassoul, dtsch. Ausg. Nr. 1013 S.173 (Düsseldorf: IB Verlag, 2010)

[6] Imām al-Buḫārī, Ṣaḥīḥ Buḫārī, übers: Muhammad Rassoul, dtsch. Ausg. Nr. 2368 S. 289 (Düsseldorf: IB Verlag, 2010)

[7] Imām Muḥammad al-Ġazzālī, Über die Freundschaft, übers: Franz Langmayr, dtsch. Ausg S. 44 (Wörgl: Perlinger Verlag, 1983)

 

Übersetzt von Abdallah Steven Pfahl