Datum: 
09.07.2016

Warum ist eine Vermischung zwischen den Rechtsschulen (talfīq) unzulässig, wenn es anscheinend von den ersten Generationen praktiziert wurde?

Beantwortet von Shaykh Gibril Haddad

Frage: Ich verstehe die Notwendigkeit einer qualifizierten Gelehrtenschaft zu folgen. Allerdings begegne ich bei der Lektüre über die ersten Generationen von Muslimen immer wieder einem bestimmten Phänomen: Es scheint, dass die damalige breite Masse die Gelehrten um Rat fragte, wenn es sich einer Regelung nicht gewiss war, wobei ich jedoch keine Beschränkung auf eine Rechtsschule ausmachen kann. Hiermit meine ich, dass man sich an den nächstbesten Gelehrten in Reichweite wandte, wobei mir scheint, dass dabei dem Problem der Vermischung und Zusammenstückelung der Rechtsschulen (talfīq) keine Aufmerksamkeit beigemessen wurde. Woher kommt also das Konzept von talfīq? Kann ich mich nicht einfach bezüglich meiner Anliegen an irgendeinen Muftī richten, den ich gerade finden kann? Warum besteht das Erfordernis, dass ich mich an einen Gelehrten meiner eigenen Rechtsschule richte, wenn dies historisch gesehen nicht der Fall war?

Antwort: Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.

Damals wie heute wird davon ausgegangen, dass einfache Menschen niemals einer anderen Rechtsschule folgen als ihrem Vorbeter (imām) und damals wie heute wird angenommen, dass eine Person religiös genug ist, um nicht von einem Muftī zum nächsten zu pendeln und die immer gleiche Frage zu stellen, bis er/sie die Antwort erhält, die er/sie sich gewünscht hat.

In der Tat entgegnete man diesem Phänomen mit der nötigen Beachtung und warnte drastisch vor dieser Art des unzulässigen Talfīq (Vermischung), das in den Augen der frühen Generationen einer mangelhaft angewandten Methodologie gleichkam und vielleicht von dem Versuch herrührte, bewusst unbeliebte, einengende Regeln der eigenen Rechtsschule zu umgehen und stattdessen Erleichterungen anderer Rechtsschulen anzuwenden. Dies bildet den Kontext für die folgenden Aussprüche:

„Wer auch immer nach den Einzelfällen und Ausnahmen in Hadīthen sucht, wird lügen.“ (Abū Yūsuf)

„Wer an den seltenen und ungewöhnlichen Standpunkten der Gelehrten festhält, hat den Islam verlassen.“ (Al-Awzāʿī)

„Wer das Seltene und Ungewöhnliche verfolgt, hat alles Schlechte versammelt.“ (Sufyān aṯ-Tawri)

„Derjenige, der den abweichenden Standpunkten folgt, ist kein Führer im Wissen.“ (Imām des ʿIlm). (ʿAbd al- Raḥmān ibn Mahdī)

„Wenn du dir von jedem Wissenden (ʿālim) ein Entgegenkommen (ruḫsa) einholst oder einen Irrtum (zalla) übernimmst, wirst du zur Sammelstelle allen Übels werden.“ (Sulaymān at-Taymī)

Möge Allāhs Gnade auf ihnen seien und möge unser Verständnis durch den Segen ihres Verständnisses erhellt werden.

Hajj Gibril

Originalquelle:

http://seekershub.org/ans-blog/2010/12/03/why-is-mixing-between-madhabs-talfiq-impermissible-when-the-earlier-generations-seem-to-have-done-it/