Datum: 
09.07.2016

Fiqh des islamischen Monats Muḥarram

Frage: Wie ist der Fiqh des islamischen Monats Muḥarram?

Beantwortet von Shaykh Faraz Rabbani:

Im Namen Allāhs, des Allbarmherzigen

Die Pflichten im Monat Muḥarram

1. Es ist nach dem Ramadan generell der beste Monat für freiwilliges Fasten.

2. Es ist im Speziellen empfohlen den 10. des Muḥarram (bekannt als Tag der ʿAšūrāʾ) mit einem Tag davor oder danach zu fasten (vgl. Ibn Abidin, Radd al-Muhtar, Kasani‘s al-Bada’i‘ zitierend).

3. Es ist außerdem tugendhaft an diesem Tag zu spenden.

Auszüge aus Ibn Rajab‘s Lata‘if al-Ma‘arif bezüglich des Monats Muḥarram:

Die Vorzüge des Fastens im Monat Muḥarram und seiner ersten zehn Tage

Imam Muslim berichtet von Abū Huraira (möge Allāh mit ihm zufrieden sein), dass der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) sagte: „Das beste Fasten nach dem im Monat Ramadan ist jenes im Monat Allāhs, welchen ihr Muḥarram nennt. Und das beste Gebet nach den Pflichtgebeten ist das Nachtgebet.“ (s. Muslim, 1163)

Das gilt für freiwilliges Fasten. Laut Imam Ibn Rajab (Möge Allāh ihm barmherzig sein), ist jenes am besten im Monat Muḥarram, genauso wie generell das beste freiwillige Gebet das Nachtgebet ist.

Der Vorzug und die Ehre dieses Monats wird durch die Tatsache bestätigt, dass der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) ihn den „Monat Allāhs“ nannte. Solch eine Zuschreibung wird von Allāh nur für ganz besondere Geschöpfe verwendet, wie die der Propheten Muḥammad, Ibrāhīm, Isḥāq, Yaʿqūb und anderer Seiner Dienerschaft (Allāhs Segen und Frieden auf allen davon) und Seiner Beschreibung des Hauses (Ka'ba).

Bedenkt man, dass Allāh das Fasten, im Vergleich zu allen spirituellen Handlungen, sich selbst zugeschrieben hat (indem Er sagt: „Es gehört Mir“) ist es angemessen, dass dieser Monat, der ebenso Allāh zugeschrieben wird, für diese bestimmte Form von Anbetung ausgewählt wird.

Fasten ist ein Geheimnis zwischen dem Diener und seinem Herrn. Deswegen hat Allāh, der Allmächtige und Erhabene (in einem heiligen Hadiṯ - hadiṯ qudsī) gesagt: „Jede Tat vom Sohn Adams ist seine, außer das Fasten. Es gehört Mir, und Ich bin es, der es belohnt.“ (s. al-Buḫārī und Muslim von Abū Huraira).

Der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) sagte außerdem: „Die fastende Person hat zwei Freuden: eine beim Fastenbrechen und die andere wenn sie seinen Herrn trifft.“
(s. Muslim)
 

Nachtgebet

Bezüglich des freiwilligen Nachtgebets (Qiyam al-Layl) ist zu sagen, dass dieses besser als freiwillige Gebete am Tag ist, da es näher zur Geheimhaltung und so näher zur Aufrichtigkeit ist.

Allāh der Erhabene sagt: „Das Aufstehen in der Nacht hat stärkeren Einfluss (auf die Seele) und bringt eher aufklärende Worte.“ (Qur´ān 73:6)

Der Grund ist, dass die Zeit des Wachseins in der Nacht (Tahajjud) die beste Zeit für freiwillige Gebete ist und die, in welcher der Diener seinem Herrn am Nächsten sein kann. Während dieser Zeit sind die Tore des Himmels geöffnet, die Bittgebete werden beantwortet und die Bedürfnisse erfüllt.

Allāh, der Erhabene, hat diejenigen gelobt, die nachts aufstehen um Seiner zu gedenken, Ihn zu bitten, Vergebung zu suchen und Ihn inständig anzuflehen, indem Er sagte:

„Ihre Seiten weichen vor den Schlafstätten zurück; sie rufen ihren Herrn in Furcht und Begehren an und geben von dem, womit Wir sie versorgt haben, aus. Keine Seele weiß, welche Freuden im Verborgenen für sie bereitgehalten werden als Lohn für das, was sie zu tun pflegten.“

(Qur´ān 32:16-17)

Und: „Ist etwa einer, der sich zu (verschiedenen) Stunden der Nacht in demütiger Andacht befindet, (ob er) sich niederwirft oder aufrecht steht, der sich vor dem Jenseits vorsieht und auf seines Herrn Barmherzigkeit hofft ...? - Sag: Sind etwa diejenigen, die wissen, und diejenigen, die nicht wissen, gleich? Doch bedenken nur diejenigen, die Verstand besitzen.“ (Qur´ān 39:9)

Und Er sagte zu seinem Propheten (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm): „Und (einen Teil) der Nacht, verbringe ihn damit, zusätzlich für dich. Vielleicht wird dich dein Herr zu einer lobenswerten (Rang)stellung erwecken.“ (Qur´ān 17:79)

Es wurde gesagt, dass diejenigen, welche die Nacht im Gebet verbringen, das Paradies ohne Rechenschaft betreten werden und das Stehen im Nachtgebet, das Stehen am Jüngsten Gericht verkürzt.

Deswegen sagte der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm): „Haltet fest am Nachtgebet, denn es war der Weg der Rechtschaffenen vor euch. Das Nachtgebet ist ein Mittel zu der Nähe Allāhs, des Erhabenen, eine Sühne für schlechte Taten, ein Mittel zu Vermeidung von Sünden und zur Vermeidung von körperlichen Krankheiten.“
(vgl. at-Tirmiḏī (3543), al-Baihaqī und andere; es ist eine gute (hasan) Überlieferung)

Genauso ist überliefert worden, dass Fasten ein Mittel zur Gesundheit ist. Es ist überliefert, dass der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) sagte: „Faste und du wirst gesund sein.“ (s. Ahmad, von Abū Huraira)

Liebende haben keine größere Freude als alleine zu sein und ihren Geliebten anzuflehen. Das ist ein Heilmittel für ihre Herzen und das Größte, was sie sich ersehnen können.

Deswegen pflegte Abu Sulayman al-Darani zu sagen: „Die Leute der Nacht finden mehr Freude als die Leute der Ablenkung (Lahū) in ihren Freuden. Wäre nicht die Nacht, würde ich nicht mehr am Leben bleiben wollen.“

 

Der Tag von ʿĀšūrāʾ: Der Zehnte des Muḥarram
In Buḫārī und Muslim wird von Ibn Abbas (Möge Allāh mit ihm und seinem Vater zufrieden sein) erwähnt, dass er über das Fasten am Tag von ʿAšūrāʾ (den zehnten Tag des Muḥarram) gefragt wurde. Er sagte: „Ich sah den Gesandten Allāhs (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) nicht einen Tag fasten und dabei so begeistert die Vorzüge suchen als an diesem Tag.“ Und meinte dabei den Tag von ‘Ašūrāʾ. (s. Buḫārī (2006) und Muslim (1132))

Der Tag von ‘Ašūrāʾ hat gewaltige Vorzüge und unbeschreibliche Heiligkeit (Hurma). Der Vorzug des Fastens war unter den Propheten bekannt (Friede sei auf allen). Sowohl der Prophet Nūḥ als auch Mūsā (Friede sei auf beiden) fasteten an diesem Tag.

Der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) fastete diesen Tag sogar in Mekka, obwohl er damals andere noch nicht dazu aufforderte, wie in und Muslim erwähnt wird.
(s. Buḫārī (2002) und Muslim (1125))

Als er nach Medina auswanderte und die Leute des Buches diesen Tag fasten und verehren sah, befahl er den Muslimen an diesem zu fasten, und animierte sie so sehr, dass sogar Kinder fasteten.

Es wurde in Buḫārī und Muslim von Ibn Abbas (möge Allāh mit ihm und seinem Vater zufrieden sein) berichtet, dass: „Als der Gesandte Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) Medina erreichte, fand er Juden am Tag von ‘Ašūrāʾ fasten, also fragte er sie: ‚Welchen Tag fastet ihr da?‘ Sie sagten: ‚Das ist ein gewaltiger Tag. Allāh rettete Musa und sein Volk an diesem Tag und ertränkte den Pharao und sein Volk. Musa fastete an diesem Tag aus Dankbarkeit, daher fasten auch wir.‘ Der Gesandte Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) sagte: ‚Und wir haben mehr Recht an Musa als ihr.‘ Daher fastete er diesen Tag und befahl, dass an ihm gefastet wird.“ (s. Buḫārī (2004) und Muslim (1130))

Am Ende seines Lebens fasste der Gesandte Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) den Entschluss nicht nur an dem Tag alleine zu fasten, sondern auch einen anderen (entweder den davor oder danach), um sich von den Leuten der Schrift zu unterscheiden.

Im Sahih von Imam Muslim (Möge Allāh ihm barmherzig sein) wurde überliefert, ebenfalls von Ibn Abbas (Möge Allāh zufrieden sein mit ihm), dass: „Wenn der Gesandte Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) am Tag von ‘Ašūrāʾ fastete und seinen Gefährten dies befahl, sagten sie: ´O Gesandter Allāhs! Diesen Tag ehren die Juden und die Christen.´ Darauf sagte der Gesandte Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden): ´Wenn das nächste Jahr kommt, so Allāh will, werden wir auch den neunten (des Muḥarram) fasten.´ Aber das folgende Jahr kam nicht vor dem Davonscheiden des Gesandten Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden).“ (s. Muslim (1134) und Abu Dawud (2445))

Im Musnad von Imam Ahmad (Möge Allāh ihm barmherzig sein) wird von Ibn Abbas (Möge Allāh zufrieden sein mit ihm) berichtet, dass der Prophet (Allāhs Segen und Frieden seien auf ihm) sagte: „Fastet am Tag von ‘Ašūrāʾ und unterscheidet euch von den Juden, indem ihr auch einen Tag davor oder danach fastet.“ (vgl. Ahmad)

Spenden am Tag von ‘Ašūrāʾ

Es wurde von Abd Allāh ibn ‘Amr ibn al-‘As (möge Allāh mit ihm zufrieden sein) überliefert, dass: „Wer auch immer ‘Ašūrāʾ fastet, ist es so als ob er ein ganzes Jahr gefastet hat. Und wer auch immer an diesem Tag spendet ist, als ob er ein ganzes Jahr gespendet hat.“

Trauer am zehnten Muḥarram ist eine Erneuerung

Bezüglich des Trauerns und Bekümmern der Šīʿa/Schiiten an diesem Tag wegen des Martyriums von Sayyidunā Ḥusain ibn ʿAlī (möge Allāh mit ihm und seinem Vater zufrieden sein), ist dies eine Tat von denen, deren Taten in diesem Leben fehlgeleitet sind, obwohl sie gleichzeitig glauben, etwas Gutes zu tun. Weder Allāh, der Erhabene, noch Sein Gesandter (Allāh segne ihn und schenke ihm Frieden) befahlen uns an Tagen von Drangsalen der Propheten, oder deren Tode, zu trauern, geschweige denn bei jemand anderem.

(F: Die Juristen haben angeführt, dass es eine Erneuerung ist, den Muḥarram als einen Monat der Trauer zu betrachten. Es ist nicht unerwünscht in diesem Monat zu heiraten. Es ist sehr tadelnswert an den Ritualen der Šīʿa über die Trauer am Tod von Husain (möge Allāh mit ihm zufrieden sein) teilzunehmen.)

Einige Vorzüge des Tages von ʿAšūrāʾ
An diesem Tag vergab Allāh einem gesamten Volk. At-Tirmiḏī überliefert, dass der Prophet (Allāh schenke ihm Segen und Frieden) zu einem Mann sagte: „Wenn du einen Monat nach Ramadan fasten willst, dann faste im Muḥarram, denn in ihm ist ein Tag an welchem Allāh einem gesamten Volk vergeben hat und Er wendet sich denen, die in Reue sind, zu.“
(s. Tirmiḏī (841))

 

Und nur Allāh gibt Erfolg.

Faraz Rabbani